Hohe Prämien sind Gift für die Motivation

Was wirklich zählt, ist die Würdigung des einzelnen Mitarbeiters

Wer sich viel mit der Führung von Verkaufsmitarbeitern beschäftigt hat, war schon immer skeptisch. Die Wirkung von hohen Verkaufsprämien auf die Motivation der einzelnen Mitarbeiter im Verkauf und damit auf den Umsatz wird zumeist überschätzt. Damit soll grundsätzlich nichts gegen eine leistungsorientierte Bezahlung im Vertrieb gesagt werden, doch wer glaubt, dass man mit Verkaufswettbewerben und hohen Prämien Menschen motivieren kann, mehr Umsatz oder Deckungsbeitrag zu generieren, der liegt auf dem Holzweg.

Schon Reinhard K. Sprenger hat in seinem legendären Buch mit dem Titel „Mythos Motivation“ von einer „Karottenmentalität“ gesprochen. Er kam zu dem Schluss, dass auf mittlere Sicht die Wettbewerbe im Verkauf keine zusätzliche Motivation erzeugen.

Andere Erfahrungen wurden bei den sogenannten Strukturvertrieben gemacht. Durch ein Schneeballsystem kam es für einzelne Verkaufsmitarbeiter zu exorbitanten Vergütungen. Das Ganze hat so lange funktioniert, bis das System zusammengebrochen ist. Dennoch waren einzelne dabei sehr motiviert und haben viel Geld verdient.

Doch was haben hohe Prämien nun wirklich mit Motivation zu tun?

Wenn man Menschen in unserer westlichen Welt dafür bezahlt, dass sie etwas mehr leisten, dann muss man dafür heute viel Geld ausgeben. Damit die Summe nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben für den einzelnen Mitarbeiter überhaupt noch wahrnehmbar ist, wird für eine mittlere Verkaufsmannschaft schnell ein sechsstelliger Betrag fällig.

Aber bringt das dann auch das erwartete Leistungsplus?

Sozialökonomen haben den Zusammenhang von Prämien und Leistung erforscht. Abgeleitet von dem bekannten Experiment mit Ratten, die für Fehlverhalten mit Stromstößen bestraft wurden, hat man ein Experiment mit einer positiven Belohnung entwickelt. Menschen wurde für die erfolgreiche Lösung von Aufgaben mit Geldbeträgen belohnt. Der einen Gruppe hat man eine geringe Geldsumme,  der 2. Gruppe eine etwas höhere und der dritten Gruppe sogar sehr viel Geld versprochen. Nun könnte man meinen, dass die dritte Gruppe insgesamt die beste Leistung erbracht hat. Aber weit gefehlt! Gerade bei anspruchsvollen Aufgaben sank die Leistung mit der Höhe der Prämie rapide ab. Wie ist das zu erklären?

Durch die hohen Prämien fühlten sich die Teilnehmer unter Stress gesetzt. Und es ist heute allgemein bekannt, dass Menschen unter Stress nur eingeschränkt kreativ handlungsfähig sind. Unter Stress funktioniert bei uns letztendlich nur das „Reptiliengehirn“ und das kann nur noch zwischen Angriff Verteidigung,  Flucht oder Sich-tot-stellen wählen. Die Teilnehmer hatten in dem Experiment aufgrund der hohen Geldbeträge so viel Angst zu versagen, dass ihnen fast nichts mehr gelang. Ergebnis dieser Untersuchung war, dass je anspruchsvoller die Aufgaben waren, desto weniger haben finanzielle Anreize eine positive Wirkung gezeigt. Umgekehrt konnten bei einfachen mechanischen Aufgaben durchaus positive Effekte erzielt werden.

Was bedeutet das, wenn man diese Ergebnisse auf den Vertrieb beträgt?

Bei einfachen Vertriebsaufgaben, zum Beispiel bei Drückerkolonnen im Zeitungsvertrieb, kann mit finanziellen Anreizen durchaus eine positive Wirkung erzielt werden. Je komplexer jedoch die Geschäfte mit den Kunden sind, desto weniger wird das funktionieren. Gerade im technischen Vertrieb, bei dem es heute um sehr komplexe und anspruchsvolle Verkaufsprozesse geht, wird damit vermutlich keine Wirkung zu erzielen sein.

Was aber kann man dann tun, um mit einer starken Verkaufsmannschaft im Wettbewerb zu agieren?

Bei einfachen ökonomischen Modellen geht man immer davon aus, dass der Mensch mit wenig Aufwand viel Einkommen erzielen will. Das trifft aber nicht die Realität in den Unternehmen.

Vielmehr möchten sich die Menschen mit ihrer Arbeit identifizieren. Daniel H. Pink, der sich in seinem Buch „Drive“ mit den wissenschaftlichen Untersuchungen zum Thema Motivation auseinandergesetzt hat,  sieht drei Elemente für Motivation:

  1. Selbstbestimmung
  2. Perfektionierung
  3. Sinnerfüllung

Gerade erfolgreiche Mitarbeiter im Vertrieb legen Wert auf Selbstbestimmung. Sicher sind Rahmenvorgaben (z.B. Corporate Governance) und Verkaufsziele allgemein akzeptiert. Aber in der Art und Weise, wie Kunden betreut werden, wie Gespräch geplant, geführt und nachgearbeitet werden, sind im Außendienst gewisse Freiheitsgrade sehr geschätzt. Die Antwort für Verkaufsleiter heißt also genau so viel Struktur zu schaffen, wie für die Einhaltung eines optimalen Verkaufsprozesses nötig ist. Alles darüber hinaus sollte der Selbstbestimmung überlassen werden. Dass eine regelmäßige Leistungskontrolle stattfinden muss, spricht nicht dagegen und wird von Vertriebsmitarbeitern sogar ausdrücklich gewünscht.

Erfolgreiche Mitarbeiter im Vertrieb schätzen aber auch, wenn sie sich weiter entwickeln können. Diese Möglichkeit zu Perfektionierung muss im Unternehmen aktiv unterstützt werden. Dazu gehören zum einen regelmäßige Trainings und Workshops, zum andern aber auch Freiheitsgrade und Möglichkeiten, das Erlernte in Verkaufsgebiet auszuprobieren. Erfolgreiche Sportler trainieren fast täglich. So müssen auch Verkäufer regelmäßig trainieren, „on and off the job“. Auch hier sind wieder einerseits Unterstützung aber andererseits auch Freiheitsgrade durch den Verkaufsleiter gefragt. Nur wenn es im Unternehmen eine positive Fehlerkultur gibt, werden Mitarbeiter auch bereit sein, neue Dinge auszuprobieren. Eine positive Lernkultur im Vertrieb ist der Schlüssel, um im Wettbewerb bestehen zu können.

Last but not least streben Menschen aber auch nach Sinnerfüllung. Sie möchten das Gefühl haben, einen positiven Beitrag für das Unternehmen, für die Kunden oder gar für die Gesellschaft zu erbringen. Wer Leistung will, muss Sinn geben! Dazu gehört, dass in einer Unternehmenskultur der Beitrag des Einzelnen überhaupt wahrgenommen, besser noch wertgeschätzt und anerkannt wird. Wenn das gelingt, ist die Voraussetzung für eine motivierte Mannschaft geschaffen. Wenn die Strategie des Unternehmens stimmt, wird sich eine motivierte Verkaufsmannschaft letztendlichen im Wettbewerb durchsetzen. Der Erfolg wird sich früher oder später einstellen. Die Zugehörigkeit zu einem Erfolgsteam wird bei den Menschen weitere Motivation erzeugen und die positive Entwicklung verstärken.

Dieses Vorgehen ist natürlich nicht so einfach wie ein Verkaufswettbewerb, kann aber auf Dauer den Unterschied beim Kunden machen. Genau der Unterschied, der von der Führung  immer wieder gesucht wird.

Thomas Eggeling